Der Verein

 

Die Anfänge des Sports und die Gründung des Turnvereins 1860

 

Turnen und Sport nehmen seit über hundert Jahren im Amte Neuhaus mit den ersten Platz in der Freizeitgestaltung und im Vereinswesen ein. Über eine sportliche Betätigung der hiesigen Bevölkerung in früheren Zeiten können wir nur Vermutungen äußern. Das Trudeln der Jungen mit runden Holzscheiben auf der Dorfstraße war eine Art des Treibballspiels, vor 70 Jahren wurde es in Stapel noch mit Eifer als Wettkampf von zwei Mannschaften betrieben, vielleicht kann es als ein Beispiel für alte Volkssportüberlieferungen angesehen werden. Zuverlässige Nachrichten über den Sport im Amte Neuhaus gibt es erst seit 1860.

 

Vor etwa 75 Jahren hat der Harburger Lehrer Wilhelm Franck seine Lebenserinnerun­gen aufgeschrieben, er wurde 1852 in Neuhaus/Elbe geboren. die Eltern wohnten in der heutigen Alten Molkereistraße. Durch Wilhelm Franck erfahren wir auch etwas über die Anfänge der Turnbewegung in Neuhaus. Um 1860 kam der Amtsschreiber Zufall nach Neuhaus und führte das bis dahin hier unbekannte Turnen ein. Er begann im Rosengarten mit den Jungen, den Knaben des Ortes, Turnübungen durchzuführen. Bald interessierten sich auch Erwachsene dafür und machten mit. In jenen Jahren setzte in ganz Deutschland ein Aufschwung des Sports ein.

Am 15 .Mai 1860 wurde in Neuhaus/Elbe ein richtiger Turnverein gegründet, der heutige Turnverein( TV) Neuhaus/Elbe von 1860 e.V. Im Winter fanden die Übungen im Havemannschen Saale statt, im späteren Lindenhof. Der junge Wilhelm Franck freute sich sehr, dass er mitmachen und beitreten durfte. Leider erfahren wir von ihm nicht, welche Turnübungen und Sportarten denn nun tatsächlich betrieben wurden. So müssen wir uns daran orientieren, was uns allgemein über das Turnen in jenen Jahren überliefert ist. Wir dürfen wohl annehmen, dass es in Neuhaus ähnlich war wie in vergleichbaren anderen Orten. Es gab zwei Hauptrichtungen. die Gymnastik ohne Geräte oder mit Seil, Schwungkeulen, Reifen und Bäl1en, und zweitens das Geräteturnen an Barren, Reck, Pferd, Ringen und Klettergerüsten (Tau, Stange). Besonders der Barren erfreute sich früh großer Beliebtheit und konnte sicher in einfacher Form von den örtlichen Handwerkern hergestellt werden, selbst die Reckstangen waren an­fangs aus Holz und natürlich entsprechend dick und unhandlich. An Ballspielen war das Schlagballspiel gerade auch in unserer Gegend am meisten verbreitet, es hieß bei GutsMuths das „deutsche Ballspiel“. Das Faustballspiel wurde durch die 1868 gegründete Deutsche Turnerschaft verbreitet und kann schon vor der Jahrhundertwende in Neuhaus eine Rolle gespielt haben, der Höhepunkt war wohl im Amte Neuhaus zwischen den beiden Weltkriegen. Wahrscheinlich ist unter anderem Schleuderball bei uns ein Sportspiel gewesen.

Der Neuhauser Turnverein entwickelte sich so gut, dass er schon nach wenigen Jahren ein großes Turn­fest veranstalten konnte, zu dem viele auswärtige Vereine kamen. Es gab damals Turnvereine in Bleckede (seit 1862), in Dahlenburg (seit 1860), Boizenburg usw. Im Sommer 1865 besuchte König Georg V. von Hannover das Amt und den Flecken Neuhaus/Elbe, die Turner standen Spalier. Im Festzeit er­wischte der l3jährige Turner sogar ein Glas Sekt.

Viel Vergnügen, so schrieb Wilhelm Franck, hätten ihm die im Sommer veranstalteten Turnfahrten be­reitet, das heißt eigentlich waren es Wanderungen zu Fuß. Halbtagswanderungen wurden an den Sonn­tagnachmittagen in die nähere Umgebung unternommen, im Laufe des Sommers auch einige größere Touren über anderthalb Tage. Über eine solche Turnfahrt hat Wilhelm Franck etwas ausführlicher be­richtet: „Besonders gern erinnere ich mich einer Turnfahrt nach Boizenburg. Am Sonnabend bald nach Mittag erfolgte der Aufbruch; über Pretener Fähre, Besitz, Blücher, Hühnerbusch (Wassermühle und idyllisch gelegene Försterei) ging der Marsch nach Boizenburg, wo wir gegen Abend eintrafen und von dem dortigen Verein empfangen wurden. Wir bekamen Quartiere, ich bei dem Maler Könke, dessen mit mir im gleichen Alter stehende Sohn mich auf dem Markte in Empfang nahm und nach der elterlichen Wohnung geleitete. Am Sonntag fanden Turnübungen auf dem Roten Hause statt, und nach­mittags erfolgte die Rückwanderung nach Neuhaus, wo wir circa gegen zehn Uhr eintrafen. Auch nach Bleckede und Lübtheen wurden Turnfahrten unternommen. In Bleckede wurde ich beim jüdischen Schlosser, namens Ballheimer oder Ballhamer einquartiert.“

Nach seiner Konfirmation besuchte Wilhelm Franck in Lüneburg die Realschule, somit lebte er ab Ostern 1867 nicht mehr ständig in Neuhaus, die angeführten Ereignisse und Unternehmungen, an de­nen er teilgenommen hat, lagen also zwischen 1860 und 1867, in den ersten 7 Jahren des Neuhauser Turnvereins. Dieser muss also gleich zu Anfang schon eine große Rolle im Leben des Ortes gespielt ha­ben.

                                                                                                           
Werner Hüls, Neuhaus, November 2000